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Authentizität

....schwieriges Wort, das. Noch schwieriger als die Aussprache ist aber, es halbwegs sinnvoll zu benutzen...in der Musik.

Denn: Es ist -wie so häufig- relativ leicht zu belegen, daß praktisch niemand wirklich authentisch ist! Schwierig dagegen, den Begriff nicht ganz so streng auszulegen, damit aber benutzbar zu machen. Wenn man sich also darauf einläßt, "authentisch" als relativen Begriff zu benutzen, demnach also Musiker etwas mehr oder etwas weniger authentisch sein können, dann kann doch ein Gedanke z.B. über die eigene Authentizität sehr nützlich sein für ein in sich stabiles gesamtkünstlerisches Befinden. (Welches ich einfach mal als erstrebenswert voraussetze; dieses Ideal muß man freilich nicht unbedingt teilen -- dann ist aber ein Nachdenken über Authentizität als positive Bewertung einer Persönlichkeit auch nicht weiter sinnvoll....)

Zum Begriff der Authentizität

"Echt" ist wohl die einfachste Übersetzung, bei "original" klingt dann schon die künstlerische Verwendung an und "dem Ursprung / der Tradition verbunden" wäre schließlich schon ein Gebrauch, der in keinem Wörterbuch mehr stehen kann, wohl aber beschreibt, wenn in der Musik z.B. von jemandem die Rede ist, der authentischen Mississipi-Blues spielt.

(Tatsächlich gibt es diesen Begriff in der Musik übrigens zur Kategorisierung von Kirchentonleitern, aber das soll hier nicht Thema sein: Ich bin Schlagzeuger...  ;-)

"Authentisch" in Verbindung mit einem Musikstil ("Die Floogie-Stompers spielen unerhört authentischen New Orleans Jazz") ist wohl der häufigste Gebrauch (das steht nämlich auch in jedem Info Blatt jeglicher Stompers, Boppers und Ramblers), und da ist dann "der Tradition verbunden" im besten Sinne gemeint.

Ich will aber in diesem Artikel herausfinden, was Authentizität in Bezug auf den einzelnen Musiker heißt: Da wäre dann diese rückwärts auf Tradition und Ursrung gerichtete Bedeutung gar kein so uneingeschränkter Idealtypus mehr. Der individuelle Musiker möchte in aller Regel doch zumindest auch andere, nach vorne gewandte Ideale verkörpern.

Authentische Typen

Wenn wir den Begriff also mal nicht furchtbar streng auslegen, habe ich in unseren Breiten drei "relativ authentische" Typen ausgemacht:

1. Der Eigenbrödler

Das ist der konsequente Einzelgänger (oft Singer Songwriter), der irgendwann angefangen hat, seine eigenen Erlebnisse oder Phantasien in Songs zu kleiden.....und damit seither nicht mehr aufgehört hat. Er kann auch ein / zwei Stücke von Bob Dylan auf der Gitarre, spielt diese auch, wenn er dazu gedrängt wird, aber in jedem Fall hängt er dann auch noch zwei eigene dran.

Mit anderen Musikern spielt er ungern; ab und zu vielleicht, wenn er muß, weil er eingeladen wird... aber im Grunde lenkt das doch alles eher von dem wesentlichen ab: seinem Song.

Je näher an "nerd" oder Aspherger, desto leichter fällt es uns, dafür die Karte "authentisch" zu ziehen, und genau das entspricht hierzulande wohl auch am meisten dem Bild von Authentizität.

2. Der Charismatiker

Ich bin aber auch bereit einer zweiten Kategorie u.U. das Siegel "authentisch" zu verleihen, nämlich dem Stückeschreiber, der nicht am liebsten allein im Kämmerlein sitzt, sondern ganz im Gegenteil: eine Art Hofstaat unterhält. Er tritt gerne mit eigener Band auf, mit sovielen Musikern, wie es die Ökonomie erlaubt. Präsentation, Inszenierung; das ist letztlich wichtiger als die eigentliche Komposition.

Ich denke, der "Charismatiker" kann durchaus authentisch sein, (selbst wenn er nicht mal eigene Stücke präsentiert), er muß dafür allerdings innerhalb dieser Inszenierungen eine Handschrift erkennen lassen.

3. Der gewissenhafte Indianer

...und hier wird es dann spätestens keine mehrheitsfähige Ansicht mehr: Genau diese Kategorie, je nach Musikstil bekannt als "Side Man", "Freelancer", "Tuttischwein", "Pick Up musician", Studiomusiker  usw., verkörpert ja scheinbar das Gegenteil von Authentizität: Alles ist möglich, heute so, morgen so....

Aber auch hier ist es denkbar, einen eigenen Stil zu entwickeln. Vielleicht auch musikalisch, wenn der Musiker trotz unterschiedlichster Stilistiken einen eigenen, wiedererkennbaren "Sound" hat, mehr aber noch ist es eine Grundhaltung zur Musik, die ich u.U. als im besten Sinne "authentisch" anerkenne: sich konsequent in den Dienst der Musik zu stellen, ein gutes Gespür für Stileigenes und die richtige Dosis Stilfremdes, nicht zuletzt Zuverlässigkeit und Loyalität.....das sind nicht nur musikalische Werte an sich, sondern für mich belegt genau das ebenfalls eine Authentizität, eine Echtheit und Nähe zum Ursprünglichen, auch wenn sich jemand stilistisch "durch alle Vorgärten spielt".

Keine Punkte, Keine Gewinner, aber eine Selbsteinschätzung

Nun trifft ja nichts davon zu hundert Prozent auf irgendeinen mir bekannten Musiker zu, aber vielleicht helfen diese "Typen", sich selbst besser einzuschätzen. "Authentisch" zu sein ist ja nicht das einzige Ideal in der Musik, wohl auch nicht das wichtigste, aber es ist ein Ideal, das ich an mir selbst überprüfen kann.

(Im Gegensatz z.B. zur Frage, ob ich ein guter Spieler bin: Das ist selbst kaum zu beantworten...)

Mit der Schablone "Authentizität" komme ich dagegen schon wesentlich weiter, ich muß nur konsequent "Warum" fragen!

  • Warum spiele ich diesen Gig überhaupt?
  • Warum mache ich dieses Programm?
  • Warum spiele ich mit dem Musiker?
  • Warum habe ich diesen Fill In gespielt?
  • Warum klinge ich, wie ich klinge?
  • Warum habe ich mich gestern beim Spielen nicht wohl gefühlt?
  • usw.

Je grundsätzlicher, einfacher und überzeugter die Antworten ausfallen, desto mehr bewege ich mich in Richtung des authentischen Musikers! "Im Einklang mit sich selbst" ist, bezogen auf die einzelne Person, also wohl eher die Maßgabe für Authentizität als "im Einklang mit einer Tradition".......

 

Warum ich das schreibe, obwohl es so binsenweise klingt?

Weil ich letzte Woche mehrfach das Wort gehört habe; m.E. völlig falsch gebraucht, obschon von ansonsten ernstzunehmenden Kollegen!  ;-)

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