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Für die Zirkus- / Bühnenshow "Mä Hyrrä" hatte ich einen recht skurrilen Text verfaßt. Dieser war stark inspiriert von Zappa´s The Legend Of Cleetus Awreetus Awrightus auf dem Cover des Grand Wazoo Albums, aber übersetzt zum einen ins Deutsche zum anderen auf unsere Begebenheiten in der Zirkuswelt. 

Mit netto ca. 8 Minuten Sprechdauer war er allerdings wohl schon prinzipiell jenseits einer heutzutage noch einforderbaren Aufmerksamkeitsspanne, und der bizarre und (absichtlich) nicht stringente Inhalt tat sein Übriges zu einem Unverständnis auf breiter Ebene. Für die zweite Spielzeit von Mä Hyrrä wurde der Text also exkommuniziert und gegen einen verträglicheren, vor allem kürzeren von Matto Kämpf ersetzt. Für künftige Hyrrä-Besucher, die ihn also nicht live erleben, aber auch für die, die ausprobieren möchten, ob man der Sache wenigstens lesend folgen kann, hier eine der ursprünglichen Arbeitsversionen (die schon massiv gekürzt ist).

Um die Mühe des Verfassens aber nicht ganz verpuffen zu lassen, beabsichtige ich, den Text zukünftig zwischen zwei und drei Uhr morgens in Freiburger Kneipen vorzutragen, da wird auf Verständlichkeit generell nicht so wert gelegt.

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                       DIE LEGENDE VON CAMPUS PULCHER UND DEM EISERNEN REIFEN

Geheimrat Dr. Moder hat in seinem verborgenen Kellerlabor Platz genommen. Das Licht ist schummrig. Im ganzen Keller hängen mysteriöse Drähte und Kabel von der Decke, aus, um und mitten durch eine unwahrscheinliche Ansammlung von verstaubten Pulten, Truhen, Schirmständern und einem riesigen, kastanienbräunlichen Sofa, welches an ein billiges Bücherregal grenzt, was z.B. mitgeliefert wird, wenn man die komplette Brockhaus Enzyklopädie in einem bestellt.

Gunther (das ist Dr. Moders Vorname) hockt bösartig neben dem Regal und fummelt sich durch einen Stapel Bücher, Schallplatten, religiöser Flyer und Wahlplakate.

Er kratzt sich kurz den kaum sichtbaren Ausschlag an seinem Hals und murmelt:

Ja, ..ja, .... jetzt ist alles da, ....bis auf´s letzte....alles, was ich brauche, um ES zu vollenden!

Aufgeregt stopft er den ganzen Haufen in das oberste Regal des Schrankes und gleitet behände zu seinem Schreibtisch, zieht die grüne Schutzbrille und die Gartenhandschuhe an, lacht sein typisch pseudowissenschaftliches Lachen, und nun greift er beherzt zum Griff des großen elektrischen Relais, das er ständig benutzt.

Wie zu erwarten sprühen tausende von Funken und die düstere Deckenbirne flackert.

Ein gedämpfter Cello Satz spielt: Dnnnt dnnnt dnnnt dnnnn!

Aber man kann es kaum hören, denn die Geräuschkulisse ist einfach zu laut.

Als er den Schalter zurücklegt, hören schlagartig die Funken auf, und der Lärm verebbt und alle Bücher und Pamphlete usw. sind verschwunden.

Anstelle dessen, außerhalb des Labors, kaum 3 Steinwürfe entfernt, erhebt sich eine originalgetreue, präzise ausgearbeitete, historisch aber nicht ganz akkurate, irgendwie verdrehte, illusionäre Nachbildung des alten Rom, oder so ähnlich.

Der Herrscher dieser illusionären Nachbildung ist CAMPUS PULCHER, der choreographierende Kaiser. CAMPUS unterhält eine fantastische Armee von arbeitslosen Artisten. Zusammen mit seiner Armee schmeißt er zu Hause den Laden, wenn sie nicht gerade einen Feldzug führen gegen den illusionären Erzfeind ZIRKUSIOS DE SOLEIS.

ZIRKUSIOS hat ebenfalls eine fantastische Streitmacht, und diese beiden Armeen treffen immer montags aufeinander. Das Ergebnis der wöchentlichen Schlacht wird dann per Litfasssäule, Graffiti in Bahnhofsunterführungen, oder im Feuilleton der TAZ bekannt gegeben.

Jeder Herrscher, choreographierend oder nicht, hat natürlich Probleme zu lösen und CAMPUS ist da keine Ausnahme. Neben dem langwierigen Krieg gibt es zivilen Ungehorsam: Eine groteske Sekte asketischer und masochistischer Fanatiker, welche keinen Zirkus mögen, hat sich in den Katakomben formiert, direkt unterhalb der Probestudios des Herrschers. Diese Leute nennen sich „die Fragenden“.

CAMPUS verfährt mit ihnen relativ wohltätig in der städtischen Kulturarena.

Nach ihrer Gefangenname und einer gewissen Haftzeit wird der Bevölkerung eine Show angekündigt.

„Die Fragenden“ werden in der Mitte dieser üblich staubigen, ovalen Arena zusammen getrieben. Just in diesem Moment betritt CAMPUS in repräsentativer Kleidung die Loge und spricht zu „den Fragenden“ durch ein einfaches, aber überdimensioniertes und sehr effektives Requisit, bekannt als „der eiserne Reifen“.

„Kann irgendjemand von euch tanzen, jonglieren, singen, oder wäre in der Lage, etwas unterhaltsames aufzuführen?“

In seltenen Fällen erhebt einer der Fragenden den Arm und signalisiert ein unterdrücktes Talent oder Interesse in zirkusverwandten Dingen. Diese „bereinigten Fragenden“ dürfen dann die Arena verlassen, um der CAMPUS Armee beizutreten, die in Wirklichkeit ja eine Zirkusschule ist.

„Die Fragenden“, die beim ersten Mal nicht reagieren, bekommen immerhin eine zweite Chance, wenn eine spärlich bekleidete Artstin mit auffälligen Körperzeichnungen plötzlich im EISERNEN REIFEN in die Mitte rollt mit einer bunt bemalten Kiste, welche Löffel enthalt. Zeigt nun jemand der Delinquenten eine rudimentäre Begabung im rhythmischen Gebrauch derselben, wird er entlassen und nach Bayern umgesiedelt.

Nach Ausreizung aller gnädigen Möglichkeiten muß CAMPUS als nächstes über die verfügen, die nicht gewillt sind, ihre zirkusfeindliche Art aufzugeben.

Während er seinen Kopf in sichtbarer Trauer beugt, gibt er das Zeichen für Framus, den Gitarristen im Orchestergraben, der punktgenau mit einem funky Gitarrenriff eröffnet. Zum Ende dessen, erkennbar durch den Einsatz von Schlagwerk und Jongleuren mit maximal drei an Reichsäpfel erinnernden Rundobjekten, erscheint eine Prozession von Varietebesitzern, Künstleragenten, Betreibern von „freien Häusern“ und Kulturaramtsangestellten, alle dem Anlaß entsprechend wohl gekleidet, die einen irritierend großen Wagen in die Mitte bugsieren.

Dieser Wagen trägt ein riesiges aquariumartiges Gefäß, in dem eine eindrucksvolle Menge Seegurken zu sehen ist, eine symbolische Ansammlung aller technischen Fehler und schlechten Aufführungen der hiesigen, illusionären Zirkuswelt.

Dieser üble Tank wird nun genau in die todbringende Nähe der zirkusfeindlichen positioniert.

Die Kulturbeauftragten verlassen die Szene, wie immer, bekommen aber außerhalb Auszeichnungen, Gratulationen, Visitenkarten und Spendenangebote und halten nun separat eine Sitzung ab, in der einstimmig eine Lösung für „die Fragenden“ gefunden wird. Ebendiese Lösung vermittelt sich, wenn DER EISERNE REIFEN das gläserne Aquarium durchschlägt.

Für eine Weile brodelt, blubbert und gurgelt es, verschluckt schließlich alle „immer noch Fragenden“.

Ein leichter Schatten fällt auf die Arena, während die Dämpfe sich verziehen und die Band im Orchestergraben eine triumphale Reprise des Eingangsriffs spielt.

Gut. Nach dem Spaß in der Arena heißt es nun „business as usual“ für CAMPUS.

Er zieht sich in den Regierungssitz zurück, um ein förmliches Diner mit seinen Dienstbefohlenen abzuhalten.

Jede Woche zur gleichen Zeit in der Dinner-Zeremonie, gerade bevor es die Gambas an Honigschaum gibt, platzt ein völlig erschöpfter Bote in den Saal, fällt vor dem Herrscher auf die Knie und stammelt: „Sie kommen! Schnell! Wir werden umzingelt!“

Der Bote wird dann wiederbelebt –er fällt danach immer in Ohnmacht- mit einer Video Cassette der letzten Zirkuspreisverleihung Monte Carlo. Wieder zu sich gekommen wird er woanders von normalen Bühnenhelfern über weitere Details ausgequetscht.

CAMPUS hingegen ruft sofort seinen Stab zusammen. Unmittelbare Befehle ergehen an seine Künstleragentin, die Garde zusammen zu trommeln, sofern sie gerade ein Visum für die EU bekommen können.

Zusammen genommen bestehen die Streitkräfte von CAMPUS PULCHER aus 2000 Jongleuren (ausgesucht) als Infanterie; 400 Seil- und Tuchartistinnen (ausgesucht), die Air Force; ca. 50 Trommler (handverlesen)– die Artillerie; 200 Kabarettisten, ausgebildet für den chemischen UND biologischen Einsatz, sowie etwa 6000 Typen, die mehr oder weniger lustige Geschichten erzählen, während sie in regelmäßigen Abständen über sich selbst lachen, das ist die Kavallerie.

CAMPUS führt sie in die Schlacht mit seinem Signum: DEM EISERNEN REIFEN ( wiewohl viele glauben, es sei lediglich die Aufhängung für den Lunaluna Mond, ausgeliehen von Andre Heller).

Die gegnerische Armee von ZIKUSIOS DE SOLEIS , bekannt als Z.D.S., ist ähnlich aufgestellt, setzt aber auf technischen Vorsprung.

Der Hauptunterschied zwischen den beiden Armeen ist allerdings: Die CAMPUS Streitmacht ist führend, wenn´s ums Tanzen geht.

Eine eigene Einheit, genannt die „Dannce Company“ hat 60 extrem dynamische Steptänzer in dunkelblauen Anzügen, die mitten auf der Strasse stehen und eine Augenbraue hochziehen, dann 200 wesentlich schlechter gekleidete, aber ungemein moderne Tänzer (ebenfalls männlich), 50 Tänzer der sog. Alten Schule, die immerhin zusätzlich singen und Mundharmonika spielen können, sowie etwa 400 romanische Söldner, die relativ schlecht tanzen, aber kleine Bewegungsspiele mit Metallscheiben aufführen.

Diese werden unterstützt von 80 perfekt ausgebildeten Chorusline Girls, die sich auf den Schultern nubischer Träger sanft im Rhythmus wiegen, auf Kommando aber auch „funky“ werden können.

Jeden Montag also marschiert das Z.D.S. in das CAMPUS Territorium und positioniert sich vor den Toren der Stadt. Auf Zeichen aus einem gepanzerten Z.D.S.-live-Übertragungswagen beginnen die vereinten Kräfte von ZIRKUSIOS, in Richtung Stadt zu jonglieren, hula hoopen, Rad zu schlagen, mithin eine verdächtige Art von Partnerakrobatik aufzuführen, in der Absicht, die Stadtbewohner zu faszinieren und für sich zu gewinnen. Diese Taktik scheint zunächst nicht aufzugehen, bricht sich aber Bahn, wenn eine technische Pioniereinheit von den Flügeln her Jupiterleuchten, Verfolger und Autoscheinwerfer auf den Stoßkeil der Attacke richtet. Diese sog. Brigade Photon verschafft den Angreifern regelmäßigen Teilerfolg.

Die Verteidigungsstrategie von CAMPUS PULCHER ist eine Ensemble Choreographie des Zirkus Monti aus dem Jahr 1987. (Diese Woche greift sie).

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